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Utopie ist machbar, Herr Nachbar ———— Utopie ist machbar, Herr Nachbar

Archiv: Montag, 30. April 2012

Meine Vorstellung von der hier entstehenden Gemeinschaft

Welche Vorstellung


hast du denn von deiner Wunschgemeinschaft, werde ich gefragt:


Jaaa, die ist in den letzten Jahren immer weiter gewachsen:

Als ich vor 4 Jahren meinen ersten Aufruf zur Gemeinschafts-Gründung schrieb, hatte ich noch nicht diesen Platz gefunden und lebte in einem anderen Tal in ‘nem Mini-Dörflein, wo bereits jeder zwangsweise mit kommunalem Strom und Wasserversorgung „beglückt“ wurde. Mein geliebter Darjeeling mit diesem Wasser schmeckte so bescheiden, dass ich das Teetrinken gleich ganz liess.

Tiefer im Gebirge Richtung spanische Grenze musste ich suchen – und höher rauf, damit wir wirklich unsere Ruhe haben und nur die Natur mit ihren Gräuschen & Lichtern um uns herumtanzt. Und was mir im Laufe meiner Landsuche auch klar wurde: wie wichtig das gute Einverständnis mit den jeweiligen anderen Talbewohnern ist: dass alle ein mehr-oder-weniger ähnliches Welt- und Lebensbild haben sollten. Hier in den Bergen ist eigentlich fast jedes Tal seine eigene Szene: klar, auch wenn die Entfernung per Luftlinie nur einige Kilometer beträgt, beim Weg  um den Berg herum oder über den Gipfel sieht die Entfernung doch gleich ganz anders aus :-)  und nicht in jedem Tal leben die Leute harmonisch zusammen.

In meinen ersten Pyrenäenjahren empfand ich mein Projekt noch etwas anders als jetzt. Ich dachte, wir als Gemeinschaft finden uns schon mal zusammen, suchen gemeinsam und entwickeln gemeinsam unsere Vorstellungen von der Community. Daraufhin meldeten sich allerdings fast nur Leute, die entweder eine bereits bestehende Gemeinschaft suchten – oder mit Ziwilisationsanschluss – oder welche, die über mich Kontakt zu Landverkäufern für ihr eigenes Projekt suchten. Es war wohl noch nicht an der Zeit ………   Jetzt sieht das ganz anders aus  :-)   es melden sich welche, die echt Bock auf gemeinsame Pionierarbeit in den Bergen haben, entweder auf Zeit oder zum ganz Einsteigen – es kann also richtig abgehen!!!!! Und ich kenne mich in der Ariège inzwischen viiiiiiiel besser aus, so dass wir viel bessere, billigere und harmonischere Möglichkeiten haben, unsere Träume in die Tat umzusetzen.

Während der Landsuche konnte ich parallel alles mögliche andere vorbereiten, was den Start ins Projekt jetzt erleichtert. Und durch mein Leben in einigen Gemeinschaften und Ashrams, habe ich ein paar Knackpunkte erlebt, die oft zur späteren Trennung führten - und versuche, die bereits im Vorfeld auszuräumen (soweit das denn möglich ist). Ausserdem habe ich ein Marktprojekt entwickelt, mit dem jeder das benötigte Bargeld verdienen kann – um die Dinge zu kaufen, die nicht durch Tauschhandel oder Selbstanbau usw. beschafft werden können.

Welche genauen Vorstellungen hast du denn nun vom Leben in Gemeinschaft, werde ich gefragt. Ehrlich gesagt: einerseits sind die sehr genau – und auf der anderen Seite sind die wiederum reichlich dehnbar.

Es gibt ein paar Dinge, die kommen für mich gar-nicht-in-die-Tüte – und bei anderen Themen denk ich ganz einfach: das wird sich schon organisch entwickeln – wir werden ‘ne Weile brauchen, bis wir zusammen gewachsen sind - und bis sich rauskristallisiert, wer bleiben und wer noch weitere Plätze besuchen will - wenn jeder bereit ist anzuerkennen, dass wir alle unsere Macken aus Kindheit & Ziwilisation mitgebracht haben und unsere Zeit brauchen, bis wir unsere eigene Vergangenheit mit all ihren Verletzungen usw. losgelassen haben und in die Gegenwart entspannen können.

Dazu bedarf es Akzeptanz – Akzeptanz gegenüber Andersartigkeit und auch sich selbst gegenüber, das ist oft fast schwieriger hinzukriegen. Akzeptanz auch gegenüber der Tatsache, dass wenn man sich von jemandem verletzt fühlt, dass man dann ganz selbstverständlich davon ausgeht, dass es sich nur um ein Missverständnis handeln kann, welches man dann anspricht um es gemeinsam aufzulösen.

Dazu wiederum bedarf es Mut – Mut, über die eigenen Hemmschwellen rüber zu gehen – Mut, die eigenen Wünsche auszusprechen – Mut, anderen zuzuhören – Mut, in sich selbst hinein zu horchen – Mut zu Gefühlen.

Akzeptanz & Mut, das sind nach meinem Gefühl schon mal die halbe Miete.

Die andere Hälfte der Miete bestehen aus der Lust & Freude am wilden Leben – am Unsinn machen – am Arbeit als Spiel empfinden – am mit dreckigen Händen in der Erde buddeln – am Bauen mit Lehm & Holz – am Lernen und offen sein für Neues – am Singen & Tanzen ums Lagerfeuer – am sich zur Arbeit motivieren an Tagen, wo man gar keine Lust  hat sich zu bewegen, oder sich von den anderen mitreissen lassen – oder aber wiederum den grad Lustlosen mitzumotivieren – Freude an einfachen, simplen Dingen – Freude an der Arbeit ohne Maschinen – Glückseligkeit beim nächtlichen in den Sternenhimmel starren – so richtig Bock auf leckeres vegetarisches Essen haben.

Und jetzt mach ich mal stichwortartig weiter – die beschriebenen Bauten bzw. Gerätschaften existieren teilweise bisher nur in meiner Vorstellung:

  • Hütten: die dauernden Bewohner leben in ihren eigenen wetterfesten Lehmhütten verteilt im bewaldeten Hang-Gelände – ist ein Hektar gross, also nicht gar so viel – man hat Blickkontakt zum nächsten Zuhause, doch jeder hat seine Privatsphäre

  • Kochen & Backen: im Gemeinschaftshaus wird die gemeinschaftliche Haupt-Wohnküche sein mit grossem Ofen plus Aussenküche mit Backofen und Tischen usw…….

  • Heizen: Holz gibt’s genug, muss nur gesägt werden

  • Wasser: kommt bereits per Schlauch vom nächsten Bach – oberhalb des Hauses (muss noch gebuddelt werden) Terrasse mit Steinbecken (sowas wie ‘nen riesiges Waschbecken) mit dauernd fliessendem Wasser vom Bach

  • Medizinrad: mittig im Gelände ein grosses Medizinrad zum meditieren etc.

  • Feuer: schöner grosser Lagerfeuer-Platz ist fertig und viel genutzt

  • Gemüseanbau: Gemüseterrassen sind bereits einige entstanden, müssen noch jede Menge mehr werden

  • Pferd: wenn genug Weidefläche zur Nutzung und zum Heuen gefunden worden ist, können wir uns ein Pyrenäenpferd anschaffen – als Freund, zum Holz rücken, zum reiten und Sachen den Berg rauftragen

  • Solargeräte: Solar-Kocher und Gemüsetrockner

  • Waschen: pedalbetriebene Waschmaschine

  • Freiluft-Kompost-Toilette

  • Geld: zum Geld verdienen ist bereits ein Markt/Festival-Projekt in Vorbereitung

  • Gäste: unsere Gäste & Mitbewohner auf Zeit leben in Zelten, im oberen Geschoss des Gemeinschaftshauses, schlafen in der benachbarten Scheune oder bauen sich selbst einfacherere regenfeste Unterkünfte

  • Plenum: das Gemeinschaftsleben wird sich organisch entwickeln, schätze ich – damit keine zwischenmenschlichen Zwistigkeiten entstehen, sollte man ‘nen regelmässiges Plenum mit Redestab haben, in dem jeder alles sagen kann, was er auf dem Herzen hat und wo neue und bestehende Aktivitäten besprochen werden – persönlich bin ich Anhänger des Konsens-Prinzips, denn bei Mehrheitsentscheidungen gibt’s immer welche, die nicht ganz zufrieden sind.

  • Zusammenarbeit: wenn jeder von uns etwa 6 Stunden tgl. fürs Projekt arbeitet: im Garten-werkeln, kochen, Hütten- oder Kompost-Toilette bauen usw usw …………, dann hat jeder von uns noch genug Zeit zum amüsieren, meditieren, singen, tanzen, lesen, am Feuer sitzen, Wanderungen usw …………….  und trotzdem geht das Projekt gut weiter.

Ja und was sind die Dinge, die gar-nicht-in-die-Tüte kommen???

Es mir extrem wichtig, dass die Leute, die hierher kommen, Vegetarier sind. Denn das Einzige, womit ich wirklich komplett kompromisslos bin, ist dass ich hier keine Tiere töten will (und so wenig Bäume wie möglich) und auch nicht, dass wir sozusagen das Töten andere machen lassen (indem Fleisch woanders besorgt und hier zubereitet wird – oder bei Tierhaltung für Käse etc. die männlichen Jungtiere weggegeben und dann von jemand anderem getötet werden) – oder dass ich “Fleischdiskussionen” führen muss. Was heissen würde, dass hier im Grunde genommen mehr oder weniger vegan gelebt wird. Mit Milchprodukten & Eiern hab ich kein Problem, bin keine militante Vegetarierin, aber ich will halt mit lebenden Tieren in Kontakt sein, die auch am Leben bleiben. Und als Ernährungsberaterin & Köchin weiss ich, dass das ohne Mangelerscheinungen nicht nur möglich, sondern absolut oberköstlich möglich ist. Leckeres Bergwasser kommt vom Bach, Essen meistens aus der Natur. (Ach ja: Hühnerhaltung ausschliesslich für unbefruchtete Eier wäre übrigens durchaus möglich, wenn ihr das wollt.)

Ausserdem haben wir hier in unserem kleinen Seitenhochtal ein paar Abmachungen:

Wir benutzen keine Krachmaschinen wie Ketten- Kreissägen usw usw, dafür helfen wir uns gegenseitig bei schweren Arbeiten. Glotze ist ganz einfach diskussionslos tabu. Und unsere Musik machen wir selber – Radio sowie andere Dosenmusik wird vielleicht mal auf Festen oder anderen besonderen Anlässen eingesetzt, ansonsten nicht – auf jeden Fall nicht so, dass der Nachbar sie hören könnte – es nervt einfach total, wenn man zB. grad in herrlicher Abendstimmung den Eulen lauscht und dann flirren plötzlich elektrisch erzeugte Känge durch den Wald (so sehr ich auch auf Stones & Co steh, in Waldesruhe nerven sie).

Ich denk, das war’s erst mal für heute! Nächstes Mal kann ich ja mal was über meine Ideen des menschlichen Miteinanders schreiben, oder? Schauen wir mal!

Derzeit versuch ich grad, die reinkommenden Anfragen zu organisieren – zB in die, die ‘ne Weile helfen wollen und die, die bei gegenseitiger Sympatie ganz einsteigen wollen – die, die recht bald kommen wollen und die, die noch einiges vorher zu regeln hätten – und alles mit meinen anderen Aufgaben unter einen Hut kriegen.

Bis bald Freunde und hoffentlich treffen wir uns bald alle mal persönlich

So long, fröhliche Grüße aus den wilden Bergen und

pleins de bisous

von Lucca   :-D


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